Mobilität

Mobilität

Die be­wegende Geschichte der Mobilität

Im 19. Jahrhundert tauchten die ersten Automobile auf den Strassen auf. So nannte man damals Fahrzeuge, die Personen oder Güter transportierten, aber nicht von Pferden gezogen, sondern mit einem Motor angetrieben – also selbstfahrend waren. Wie Kutschen und Fuhrwerke waren sie mehrspurig und nicht schienengebunden. Als Vorbild für die ersten alltagstauglichen Automobile dienten dreirädrige Fahrräder, die sogenannten Tricycle. Diese wurden durch einen Dampf-, Elektro- oder Verbrennungsmotor angetrieben.

HABEN SIE GEWUSST?

Das erste Auto, das ab 1896 in Thun herumfuhr, gehörte dem Fotografen Jean Kölla. Es war ein Benz-Motorwagen, das erste vierrädrige Automobil, das Benz ab 1893 produzierte.

Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts erhielt das Automobil allmählich die heutige Form mit vier gleich grossen Rädern und einem tiefen Schwerpunkt. Bis zum Ersten Weltkrieg hatten die meisten Autos noch keine geschlossene Karosserie. Um Wind, Wetter und den Staub der noch nicht asphaltierten Strassen abzuhalten, trugen die Autofahrenden eine spezielle Kleidung. Für die meisten war das Autofahren ein Schönwettervergnügen. Automobile waren vor dem Ersten Weltkrieg noch selten, aber ihre Zahl nahm zu. Im Herbst 1902 gab es in der Schweiz 370 Autos, im Frühling 1914 waren es 5’411. Für ein Auto musste man allerdings tief in die Tasche greifen. Ein Preisvergleich: Der durchschnittliche Jahreslohn eines Arbeiters betrug 1901 rund 1’370 Franken, der einer Arbeiterin 780 Franken. 1896 belief sich die durchschnittliche Jahresmiete einer 6-Zimmer-Wohnung in der Stadt Bern auf jährlich etwa 1’100 Franken. Man bezahlte also für drei Jahre geräumiges Wohnen etwa gleich viel wie für das günstigste Auto. Die Autos faszinierten, galten aber auch als Spielzeug reicher Leute, die damit rücksichtslos Lärm, Gestank und Staub verbreiteten und das Leben der anderen Verkehrsteilnehmenden gefährdeten. Das erste Auto, das ab 1896 in Thun herumfuhr, gehörte dem technikbegeisterten Fotografen Jean Kölla. Es war wahrscheinlich ein Benz-Motorwagen Victoria, das erste vierrädrige Automobil, das Benz ab 1893 produzierte.

Das erste Auto in Thun. Es gehörte dem Fotografen Jean Köllä. (Quelle: Stadtarchiv Thun, O. Zimmermann)

Verschiedene Artikel in den lokalen Zeitungen legen nahe, dass die meisten Autos, die vor dem Ersten Weltkrieg durch die Thuner Gassen kurvten, mit Verbrennungsmotoren ausgestattet waren. Nebst vielen Unfallberichten war nämlich der Lärm der Fahrzeuge ein wiederkehrendes Thema. So regte sich 1902 das Geschäftsblatt für den oberen Teil des Kantons Bern über die «fauchenden Ungetüme» auf und hätte am liebsten die Privatautos ganz verboten. Im selben Jahr berichtete der Tägliche Anzeiger für Thun und das Berner Oberland, dass ein Auto beim Lauitor mit seinem «Gerassel» ein Pferd so sehr erschreckt habe, dass dieses scheute und die Schaufensterscheiben des Coiffeurs Schallenberg zertrümmerte. 1912 meldete wiederum das Geschäftsblatt, dass ein «neues Auto-Ungeheuer» die Ruhe der Bewohner der Aussenquartiere störe: «Es zeichnet sich nicht nur durch das markerschütternde Gesurre seines kräftigen Motors aus, sondern auch durch eine besonders liebliche Stimme, zu vergleichen ungefähr mit dem zehnfachverstärkten Gebrüll einer geblähten Kuh.» Die Polizei solle doch bitte diesem «Tonkünstler» das Maul stopfen.

Neben den privaten Autos fuhren 1901 auch Lastwagen auf den Thuner Strassen herum. Die ersten motorisierten Lastwagen gehörten der Armee. Motorräder gab es in Thun ab 1904 zu kaufen.

Der erste Elektroautoboom

Um 1900 waren Alltagsautos mit unterschiedlichen Antriebssystemen auf dem Markt: Dampf-, Druckluft-, Verbrennungs- und Elektromotoren. Bis zum Ausbruch des ersten Weltkriegs konnte sich keine Antriebsart entscheidend durchsetzen.

Das erste vierrädrige Elektroauto wurde 1888 durch die deutsche Maschinenfabrik A. Flocken hergestellt. Der «Flocken» sah aus wie eine Kutsche und soll eine Höchstgeschwindigkeit von 15 km/h erreicht haben. 1899 konstruierte Ferdinand Porsche ein Elektromobil. Es erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h und besass eine Reichweite von 50 Kilometern. Ferdinand Porsche beschäftigte sich ebenfalls mit dem Hybridantrieb.

Der durch Ferdinand Porsche entwickelte elektrische Rennwagen im Jahr 1902. (Quelle: Wikipedia)

Als in den 1890er-Jahren die Elektroautos zur Marktreife entwickelt waren, schien nichts ihren Siegeszug aufhalten zu können, denn die Elektrizität galt als die Energieform der Zukunft. Tatsächlich schaffte das Elektroauto kurz vor 1900 den Durchbruch. Zwischen 1897 und 1939 gab es weltweit insgesamt 565 Autoproduktionsfirmen, die Elektroautos herstellten. Die führende Elektroautoherstellerin der Schweiz war zu dieser Zeit die Tribelhorn AG in Feldbach, Zürich. Ab 1902 produzierte diese Elektrofahrzeuge aller Art, darunter Lastwagen, Hotelomnibusse, Krankenwagen, Personenautos, aber auch Boote mit Elektromotoren. Zudem arbeitete sie am Aufbau eines Netzes von öffentlichen Ladestationen am Zürichsee. Im August 1908 kaufte die Stadt Bern ein Tribelhorn-Feuerwehrauto. Das billigste Tribelhorn-Fahrzeug kostete 6’350 Franken, der teuerste Personenwagen 9’500 Franken.

Wie im vorangehenden Kapitel erwähnt, legen verschiedene Zeitungsartikel nahe, dass die meisten Autos, die vor dem Ersten Weltkrieg durch die Thuner Gassen kurvten, mit Verbrennungsmotoren ausgestattet waren. Andere Antriebsarten waren in der Region Thun aber nicht ganz unbekannt. Ein Zeitungsartikel über das Oberländische Turnfest von 1901 in Thun berichtete, dass die Teilnehmer sogar «elektrisch» angereist waren. Die Kolonialwarenfirma Streit & Co. belieferte schon vor dem Ersten Weltkrieg die Kunden mit einem Elektromobil. Einige Privatpersonen besassen ebenfalls ein elektrisches Auto.

Das Elektroauto gerät ins Hintertreffen

Um 1900 kam es nur abenteuerlustigen Autopionieren in den Sinn, Fernfahrten zu unternehmen. Die Gefahr, irgendwo mit einer Panne liegen zu bleiben war gross. Überdies reiste man für längere Strecken bequemer und schneller mit der Eisenbahn. Das Auto benutzte man vor allem rund um die Heimatstadt oder für Ausflüge in die Umgebung. Mit der Zeit aber wurden die Autos sicherer, und die Autofahrenden wollten ihren Aktionskreis erweitern, was allerdings nicht unbeschränkt möglich war. Irgendwann musste man jedem Auto, egal mit welchem Antriebssystem, neue Energie zuführen.

Hier waren die Benzinautos im Vorteil. Benzinkanister gab es fast überall zu kaufen, selbst in kleineren Städten und Dörfern, weil die Apotheken und Krämerläden Benzin als Lösungsmittel immer an Lager hatten. Man füllte das Benzin in den Tank und schon ging es wieder weiter. Zudem setzte sich der 1898 in Genf gegründete Automobil Club der Schweiz für den Aufbau eines gesamtschweizerischen Tankstellennetzes ein. Der Aktionsradius der Elektroautos blieb hingegen auf Städte und Ballungsräume beschränkt, denn die Batterien waren schwer und der Ladevorgang dauerte lange.

Die Entwicklung des elektrischen Anlassers gab dem Benzinauto um 1910 einen zusätzlichen Schub. Das umständliche und lästige Ankurbeln der Autos hatte ein Ende. Die Elektroautos ihrerseits gerieten technologisch ins Hintertreffen, weil die Hersteller es nicht schafften, langlebige, stabile und leistungsfähige Batterien zu entwickeln, die schnell aufgeladen werden konnten und eine grosse Reichweite gewährleisteten. Selbst der offensichtlichste Vorteil des Elektroautos, das leise und abgasfreie Fahren, war nicht unbedingt ein Vorteil, solange nur reiche Personen ein Auto kaufen konnten. Das laute Aufheulen des Verbrennungsmotors machte das Prestigeobjekt Automobil hör- und sichtbar.

Massenmotorisierung dank billigem Benzin und Diesel

In den 1920er-Jahren setzten sich die Benzin- und Dieselfahrzeuge schliesslich fast vollständig durch, weil Erdölfunde das Benzin billiger machten. Trotzdem blieb das Automobil bis zum Zweiten Weltkrieg den wohlhabenden Schichten vorbehalten. Als günstigere Variante wurden immer noch leichtere Dreiradfahrzeuge produziert, die häufig Zweiplätzer waren und einen Einzylindermotor besassen. Noch billiger waren die Motorräder, die es auch der unteren Mittelschicht erlaubten, an der Motorisierung des Verkehrs teilzuhaben. Um 1930 gab es in West- und Mitteleuropa erstmals mehr Motorräder als Reitpferde, mehr Automobile als Kutschen, mehr Lastwagen als Fuhrwerke, mehr Autotaxis als Pferdedroschken und mehr Motoromnibusse als Pferdeomnibusse.

Die Massenmotorisierung setzte erst nach dem Zweiten Weltkrieg ein. Erstens stand mit der massiv ausgeweiteten Erdölförderung scheinbar unbeschränkt ein billiger Energieträger zur Verfügung, zweitens wurden die Autos dank der Massenproduktion immer billiger und drittens erhöhten sich die Reallöhne. Deshalb konnten sich immer mehr Personen ein Auto leisten. In Thun waren 1937, kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, 614 Motorfahrzeuge unterwegs. Davon waren knapp zwei Drittel Personenwagen, ein Fünftel Motorräder und ein Siebtel Nutzfahrzeuge. 1995 war die Zahl der Motorfahrzeuge auf über 20’000gestiegen, wobei die Zahl der Personenwagen überdurchschnittlich stark zugenommen hatte. Ihr Anteil am motorisierten Verkehr betrug nun 80 Prozent.

In Thun gab es nach dem Zweiten Weltkrieg nur noch wenige elektrisch betriebene Fahrzeuge. Die Licht- und Wasserwerke Thun und die Eidgenössische Munitionsfabrik besassen einige Elektrowagen. Etwas verbreiteter waren die kleinen Elektrolieferwagen der Milchhändler, mit denen sie ihre Kunden belieferten.

Die Rückbesinnung auf die Elektromobilität

In der Stadt Thun – wie überall in der Schweiz und in Europa– nahm die Motorisierung des Individualverkehrs nach 1950 in einem Ausmass zu, wie es selbst die Verkehrsplaner nie vermutet hatten. Rund um den Maulbeerplatz, beim Guisanplatz und auf der Hofstettenstrasse staute sich zu den Stosszeiten der Verkehr ab den 1950er-Jahren regelmässig.

Erst die Ölkrisen von 1973 und 1979/80 führten vorübergehend zu einer Verminderung des motorisieren Verkehrs. Doch kaum war die Krise vorbei, stieg der Motorisierungsgrad wieder an – bis zur nächsten Krise in den 1990er-Jahren.

Die Ölkrisen der 1970er-Jahre hatten aber der Bevölkerung und den politischen Behörden drastisch vor Augen geführt, dass die globale wie auch die lokale Wirtschaft in einem ausserordentlichen Ausmass vom Erdöl abhängig sind, die Ölstaaten das Erdöl künstlich verknappen und den Preis in ungeahnte Höhen treiben können und dass die Erdölvorkommen irgendeinmal versiegen werden. Gleichzeitig begann man, die Nebenwirkungen des motorisierten Individualverkehrs zu hinterfragen: die Luftverschmutzung, der Verkehrslärm, der Bodenverschleiss durch die asphaltierten Strassen, die vielen Verletzten und Toten bei Verkehrsunfällen…

Das Interesse an alternativen Antriebsmöglichkeiten stieg wieder an. Als erstes entdeckte man in den 1970er-Jahren den Gasmotor wieder, der schon um 1860 erfunden worden war, aber nur sehr selten in Automobile eingebaut wurde. Die Verbreitung von Erdgasautos verzögerte sich allerdings, weil das Erdgastankstellennetz nur langsam ausgebaut wurde. Die Energie Thun AG eröffnete 2002 die erste Erdgastanksäule in der Region Thun. Heute wird an den beiden Gastankstellen in der Region Thun mindestens 25 Prozent Biogas beigemischt, man kann aber auch 100 Prozent Biogas tanken.

Die Energie- und Verkehrsbetriebe – so hiess die Energie Thun AG bis 2001 – schafften das erste Elektroauto 1989 an. Es war eine Eigenentwicklung der österreichischen Firma Steyr. Das Steyr-Mobil war nur ein Jahr lang in Betrieb, da es einen Achsenbruch erlitt.

1997 leisteten sich die Energie- und Verkehrsbetriebe ein neues Elektroauto. Der Citröen Saxo électrique erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von rund 90 km/h. Seine Reichweite betrug etwa 80 Kilometer. Der Stromverbrauch entsprach auf 100 Kilometern umgerechnet etwa einem Benzinverbrauch von zwei Litern.

Das Elektroauto der Energie- und Verkehrsbetriebe im Jahr 1997. (Artikel Thuner Tagblatt vom 26. November 1997)‍

Mit einem Elektroauto allein lässt sich allerdings nicht viel anfangen, solange nicht die nötige Ladeinfrastruktur vorhanden ist. Im Thuner Seefeld wurde 1997 eine erste Solartankstelle eröffnet, die 2003 von der Energie Thun AG übernommen wurde. 2013 installierte die Energie Thun AG vor ihrem Betriebsgebäude und im Parkhaus City West Aarestrasse zwei Ladestationen, ein Jahr später richtete sie beim Hohmad-Shop an der Frutigenstrasse die erste Schnellladestation im Berner Oberland ein. Zwei Jahre später folgten zwei weitere Stromtankstellen in den Parkhäusern City Nord Grabengut und City Süd Bahnhof. 2017 gründete die Energie Thun AG gemeinsam mit dem Jungunternehmen smart me AG die eCarUp AG. Diese entwickelte eine Plattform, mit der die Ladeinfrastruktur für Elektroautos effizienter betrieben und verdichtet werden kann. 2018 rüstete die Energie Thun AG mit der Einweihung des Parkhauses City Ost Schlossberg alle Ladestationen auf das System eCarUp um. Heute sind in allen vier City-Parkhäusern total 19 Ladestationen installiert. Die Energie Thun AG betreibt an insgesamt sechs Standorten in der Region Thun öffentliche Ladestationen, an denen Thuner Ökostrom aus Sonne und Wasser getankt wird.

Etwas zahlreicher als Elektroautos sind auf den Schweizer Strassen die Hybridautos. Auch diese Fahrzeugtechnologie war schon vor dem Ersten Weltkrieg entwickelt worden, geriet dann aber in Vergessenheit. In der Schweiz sind allerdings auch heute noch die meisten Autos mit einem Verbrennungsmotor ausgestattet.

Dafür schaffen sich immer wie mehr Menschen Elektrovelos an. 2019 wurden in der Schweiz im Alltags- und Freizeitbereich erstmals mehr Elektrovelos als motorlose Velos verkauft. Bei den Sportvelos dominieren zwar noch immer die motorlosen Räder, aber auch hier legen die Elektrovelos zu, was vor allem dem Boom der E-Mountainbikes zu verdanken ist. Das Elektrovelo eignet sich je nach Modell für lockere Velotouren und rassige Bergfahrten, ist aber auch im Stadtverkehr und über kurze Distanzen ideal. In der Agglomeration Thun besteht ein grosses Potential: 60 Prozent der täglich zurückgelegten Wege sind kürzer als fünf Kilometer – trotzdem werden sie zu einem Drittel mit dem Auto zurückgelegt. Aus ökologischer Sicht ist es sinnvoll, wenn die Elektrovelos mit Strom aus nachhaltiger Produktion aufgeladen werden.

Der öffentliche Verkehr

Die Elektrifizierung der Schienenfahrzeuge begann in der Schweiz vergleichsweise früh. Den Anfang machten die Tramways oder Strassenbahnen. Im Frühling 1888 nahm die erste schweizerische Strassenbahn ihren Betrieb auf, die fast neun Kilometer lange Tramway Vevey–Montreux–Chillon. Eine elektrische Strassenbahn von Steffisburg nach Thun und entlang des Thunersees nach Interlaken war schon um 1900 im Gespräch. Die Konzession wurde 1905 erteilt, 1911 konstituierte sich die Elektrische Bahn Steffisburg–Thun–Interlaken (STI). Im Herbst 1913 ging der Abschnitt Steffisburg–Thun–Oberhofen in Betrieb. Ende Jahr war die Strecke bis Beatenbucht fertiggestellt und im Juni 1914 konnte auch der letzte Teil bis Interlaken eröffnet werden. Weil die Schienen durchgehend auf bestehenden Strassen verlegt worden waren, nannte man die STI auch Tram.

Das STI-Tram auf der Strecke nach Interlaken. (Quelle: Stadtarchiv Thun, Postkartensammlung Müller)

Innerhalb von Thun bediente die STI zehn Haltestellen. Aufgrund des schlechten Zustandes des Trams und der Schienen ersetzte die STI 1939/40 die Linie zwischen der Beatenbucht und Interlaken durch eine Autobuslinie. 1952 stellte sie die Strecke Thun–Beatenbucht auf den Betrieb mit Trolleybussen um. Erst 1982, als die Trolleybusflotte erneuert werden musste, wurde die Strecke auf Dieselbusse umgestellt. Auf der Strecke Thun-Steffisburg konnte das Tram etwas länger bestehen. Aber weil immer mehr Autos auf den Thuner Strassen fuhren, erwies sich das an Schienen gebundene Tram zunehmend als Hindernis und Gefahrenquelle, deshalb wurde es 1958 durch Autobusse ersetzt.

Das STI-Tram am Bahnhof Thun zwischen 1952 und 1958. (Quelle: Postkarte Steffisburg–Thun–Interlaken, Trolleybus 7, Tram Ce 2/2 2 und Dampfschiff «Blüemlisalp», Foto: P. Willen, Stiftung Schloss Thun, SST-12822)

In Thun hätte 1904 ein elektrisch betriebener Linienomnibus eingesetzt werden sollen. Die Probefahrten vom Bahnhof Thun über Hilterfingen nach Oberhofen waren allerdings nicht erfolgreich. Im April 1905 wurde wiederum probeweise ein Autobus-Linienbetrieb zwischen Oberhofen und Thun aufgenommen, diesmal setzte man aber einen «Benzin-Motor-Omnibus» ein. Das Interesse der Bevölkerung war gross, besonders an Markttagen. Man haftete ihm aber noch einige Mängel in Bezug auf Bequemlichkeit an und wünschte sich stattdessen das elektrische Tram, das schon in Planung war.

Die Pferdepostkutschen, die schon im 19. Jahrhundert ab Thun verschiedene Täler und Dörfer bedienten, wurden zwischen 1918 und 1927 durch Autobusse mit Verbrennungsmotoren ersetzt. Die innerstädtischen Buslinien, welche die Stadt ab 1933 realisierte, waren ebenfalls mit Diesel betrieben.

Die Eisenbahn erreichte die Schweiz bereits um 1850. Damals kamen mit Kohle befeuerte Dampflokomotiven zum Einsatz. Schon im ausgehenden 19. Jahrhundert entstanden vor allem in den Bergen erste elektrisch betriebene Touristenbahnen, denn hier konnten lokale Wasserkraftwerke zur Stromproduktion gebaut werden. Die noch junge Elektrobranche verfolgte ab 1902 den Plan, die gerade neu gegründeten Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) zu elektrifizieren. Damit wollte sie sich ein neues Absatzgebiet erschliessen und einen besonders grossen Verbraucher gewinnen. Die SBB ihrerseits waren am elektrischen Antrieb der Lokomotiven interessiert, um die Abhängigkeit von Kohleimporten zu reduzieren. Die Elektrifizierung der Schweizer Eisenbahnen wurde durch den Kohlemangel während und nach den beiden Weltkriegen beschleunigt.

Die Stadt Thun, die sich um 1900 zu einem überregionalen Knotenpunkt im Verkehrsnetz entwickelte, konnte früh von elektrifizierten Eisenbahnlinien profitieren. Die Linie Burgdorf–Thun eröffnete 1899 ihren Betrieb, sie war europaweit die erste elektrifizierte Eisenbahn. Die Lokomotiven der Burgdorf–Thun-Bahn erreichten eine Fahrgeschwindigkeit von 36 Kilometern pro Stunde. Die Strecke Bern–Thun, die 1859 eröffnet worden war wurde gleich nach dem Ersten Weltkrieg elektrifiziert.

Die Tour de Sol in Thun

Eine faszinierende Anwendung der Solarenergie ist das Solarmobil. Es hat sich aber bis heute nicht wirklich durchgesetzt. Ein erstes strassentaugliches Solarauto, produziert von der Münchensteiner Firma Fridez, wurde 1989 in der Schweiz zugelassen. Schon ein halbes Jahr später stellte die Firma Loeb in Thun ihr firmeneigenes Solarmobil «Sulky» der interessierten Thuner Bevölkerung für Gratis-Testfahrten zur Verfügung. Das Gefährt stellte die Zollikofer Firma Uwag Automobile AG her. Auch die Steyr-Daimler-Puch AG, die in Steffisburg angesiedelt war, experimentierte mit Solarautos und nahm jeweils an der Tour de Sol teil. Die Thuner Firma Krebser AG gehörte ebenfalls zu den Pionieren, indem sie 1990 einen Solarlieferwagen anschaffte, der mit Solarzellen auf dem Dach und auf der Fronthaube ausgestattet war, zusätzlich aber noch über einen Netzstecker verfügte.

Der Solarlieferwagen der Krebser AG 1990. (Artikel Thuner Tagblatt vom 4. Januar 1990)

Die Tour de Sol 1985 war das erste europäische Rennen mit Elektrofahrzeugen, die mit Solarzellen betrieben wurden. Organisatorin war die Schweizerische Vereinigung für Sonnenenergie. Das Rennen fand bis 1993 jährlich in der Schweiz statt und stiess auf ein grosses Publikumsinteresse. Teilnahmeberechtigt waren Solarmobile mit drei oder mehr Rädern, die vorwiegend durch die direkte Umwandlung von Sonnenenergie angetrieben wurden und eine minimale Spurbreite von einem Meter aufwiesen. Es gab zwei Fahrzeugkategorien, nämlich Fahrzeuge ohne und Fahrzeuge mit Pedalen. Später kamen weitere Kategorien hinzu, zum Beispiel Serien-Solarmobile und Elektroautos mit einer regulären Verkehrszulassung.

1986 kam die Tour de Sol erstmals in Thun vorbei, allerdings ohne Halt zu machen. Im Juli 1991 war Thun Etappenort der Tour de Sol. Die fünfte Etappe führte von Emmen nach Thun mit dem Ziel auf dem Rathausplatz. Für die sechste Etappe starteten die Fahrzeuge am folgenden Tag ebenfalls auf dem Rathausplatz, umrundeten den Thunersee und trafen nach rund 90 Minuten wieder auf dem Rathausplatz ein. Danach mussten sie Sonne tanken, denn noch am selben Tag absolvierten sie die abschliessende Bergetappe von Thun über Unterseen auf den Beatenberg. In Thun fand ein grosses Rahmenprogramm rund um die Tour de Sol statt, unter anderem mit der grössten Solarmobilausstellung der Welt im Grabengut, wo man mit den Fahrern fachsimpeln und Solarserienfahrzeuge Probe fahren konnte. An der Organisation des Events wirkte die Energieberatung Thun mit. Die Rennteams kamen aus aller Welt, etwa aus den USA, Deutschland, Russland, Japan, Jordanien und Malawi. Beteiligt waren auch zwei Thuner und zwei Steffisburger Teams. Das Team Krebser startete unter der Kategorie Serienfahrzeuge mit dem Pinguin.

Die Tour de Sol am 5. Juli 1991 in Thun. (Artikel im Thuner Tagblatt vom 6. Juli 1991)
Die Tour de Sol am 5. Juli 1991 in Thun. (Artikel im Thuner Tagblatt vom 6. Juli 1991)