Entstehung

Entstehung

Von den Licht- und Wasser­werken Thun zur Energie Thun AG

Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein war Holz der wichtigste Energielieferant. Die Thunerinnen und Thuner versorgten sich auf dem städtischen Markt mit Holz und anderen Brennstoffen wie Torf oder Petrol. Aber auch die Wasserkraft wurde genutzt: In Thun waren schon im Mittelalter Wasserräder in Betrieb. Dort, wo sich heute die untere Schleuse befindet, staute ein Querdamm die Aare auf und leitete das Wasser in Gewerbekanäle, wo sich Wasserräder befanden. Diese waren gekoppelt mit Mühlen, Sägereien, Schleifereien, Walken, Reiben und Stampfen. 1723 wurde anstelle des Querdamms eine Schleuse erstellt. Weiterhin zweigten oberhalb der Schleuse auf beiden Seiten der Aare mehrere Gewerbekanäle ab, die unter den Häusern durchflossen und Wasserräder antrieben, die sich in den Gebäuden befanden.

HABEN SIE GEWUSST?

Da der Strom 1925 knapp war durfte zwischen 18.00 Uhr und 8.00 Uhr nicht gebügelt, gekocht und gearbeitet werden.

Die Stadt Thun besass im ausgehenden 19. Jahrhundert das Gas- und Wasserwerk. Das Gaswerk hatte den Betrieb 1862 aufgenommen, das Wasserwerk versorgte die Stadt seit 1870 mit Leitungswasser. Beide Werke waren zwar private Gründungen, aber die Stadt übernahm sie nach einigen Betriebsjahren und legte sie administrativ zusammen. In Thun reichten die Quellwasserfassungen des Wasserwerks in niederschlagsarmen Zeiten nicht aus. Deshalb erstellte die Stadt 1883 einen Gewerbekanal, der mit einem Nadelwehr Wasser aus der Aare abzweigte und auf die Turbinen eines ebenfalls neu gebauten Grundwasserpumpwerks leitete. Die Grundwasserpumpe verbrauchte jedoch nur einen Teil der produzierten Energie. Deshalb gab das Wasserwerk 1885 per Transmissionsdrahtseile rund 20 Pferdestärke an die nahe gelegene Schiefertafelfabrik ab. 1891 installierte die Stadt im Grundwasserpumpwerk einen Gleichstromdynamo, der die überschüssige Wasserkraft in elektrische Energie umwandelte. Diese gab sie über eine Freileitung längs der Aare an die Cartonnagefabrik Hoffmann ab.
Bald entstanden in Thun erste kleine private Anlagen zur Stromproduktion, besonders im Gebiet der Alten Öle, wo Wasserkraft schon seit Jahrhunderten mit Wasserrädern in mechanische Energie umgewandelt worden war. Der Bierbrauer Gottfried Feller, der in seiner Brauerei selbst einen Wassermotor zur Stromerzeugung betrieb, schlug an einer Einwohnerversammlung im Frühling 1891 vor, dass sich der Gemeinderat beim Kanton um die Konzession für die Wasserkräfte der Inneren Aare bewerben solle. Die Stadt müsse sowieso früher oder später die elektrische Beleuchtung einrichten, woran vor allem die grösseren Hotels mit ihren grossen Speisesälen und Gartenanlagen interessiert seien. Die Gemeindeversammlung sprach sich einstimmig für Fellers Vorschlag aus.

Auf beiden Seiten der Aare zweigten Gewerbekanäle ab, die Wasserräder antrieben. (Quelle: Stadtarchiv Thun, H. Altmann).

Der Bau und Eröffnung des Elektrizitätswerks 1896

Die Thuner Stadtregierung konnte sich schon bald dem Wunsch nach einem Elektrizitätswerk nicht länger verschliessen. Das neue Elektrizitätswerk wurde etwas unterhalb des Grundwasserpumpwerks gebaut. Ein Primärkabelnetz verteilte den Strom in die verschiedenen Versorgungsgebiete, wo er dann teils über unterirdische Leitungen, teils über Freileitungen zu den Strassenlampen und zu den Häusern geleitet wurde. Am 26. August 1896 wurde das erste Thuner Elektrizitätswerk eröffnet und mit dem Gas- und Wasserwerk in den Licht- und Wasserwerken Thun vereint.

Am 26. August 1896 wurde das erste Thuner Elektrizitätswerk eröffnet. (Quelle: Stadtarchiv Thun)
Die Francis-Turbine des Elektrizitätswerks. (Quelle: Stadtarchiv Thun)

Bis Ende 1896 wurden dem Elektrizitätswerk 36 Glühbirnen und 41 Bogenlampen für die öffentliche Beleuchtung angeschlossen, dazu 3800 private Glühbirnen, 22 Elektromotoren, 20 elektrische Kochapparate und eine grössere Anzahl von Bügeleisen. Während es für den Betrieb von Lampen keine Einschränkungen gab, durften die Elektromotoren nur von 6.00 bis 18.00 Uhr benutzt werden. Die Glühbirnen verdrängten schnell die Gas- und Petrollampen aus den nobleren Privatwohnungen. Um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben, entwickelte die Gasindustrie Gaskochherde und -heizungen für die Haushalte und das Gewerbe. In Thun gehörten sowohl das Gas- wie auch das Elektrizitätswerk zu den Licht- und Wasserwerken. Vom vielerorts heftigen Konkurrenzkampf zwischen der Gas- und der Elektrizitätsindustrie um die Kundschaft war in Thun wenig zu spüren. Man arrangierte sich und empfahl der Kundschaft, mehrere Energieformen parallel zu verwenden: Elektrizität für die Beleuchtung, Gas fürs Kochen und Koks aus dem Gaswerk zum Heizen.

Die Elektrizität für die Beleuchtung und das Gas fürs Kochen. (Anzeige im Oberländer Tagblatt vom 20. Oktober 1915.)

Ganz wohl war es den Thunerinnen und Thunern mit der neuen Elektrizität jedoch nicht. 1898 kursierten in Schweizer Zeitungen Meldungen über die Gefährlichkeit von Stromleitungen und die Thuner Zeitungen berichteten wiederholt über Unfälle mit Strom aus der ganzen Schweiz, bei denen Menschen zu Schaden kamen. Der Direktor der Licht- und Wasserwerke platzierte deshalb einen beruhigenden Artikel in den lokalen Zeitungen. Die Hochspannungsleitungen seien «dem Publikum absolut nicht zugänglich». Solange man nicht herunterhängende Telefon- und Stromleitungen berühre, bestehe keine Gefahr, «sonst wären schon längst keine Monteure für elektrische Lichtinstallationen mehr vorhanden».

Dampfzentrale und das Kraftwerk von 1917

Der Elektrizitätsabsatz entwickelte sich aus Sicht des Licht- und Wasserwerks erfreulich. Wer es sich leisten konnte, installierte die elektrische Beleuchtung und viele Besitzerinnen und Besitzer von Motoren mit Wasser- oder Gasantrieb ersetzten diese durch Elektromotoren. Weil der Strombedarf hoch war, stellten die Licht- und Wasserwerke 1899 im Grundwasserpumpwerk einen zusätzlichen Generator als Reserve auf, mussten diesen aber schon bald ständig laufen lassen. Ab 1903 machte man sich Gedanken zu einer grösseren Erweiterung des Elektrizitätswerks. Weil die Wasserkraft je nach Wasserstand variierte und der Stromabsatz je nach Tageszeit schwankte, wollte man ein von der Wasserkraft unabhängiges Werk. So eröffnete die Stadt 1907 neben dem bestehenden Kraftwerk eine Dampfzentrale. Sie wurde nur eingesetzt, wenn die Wasserkraft nicht genug Strom produzierte. Von 1917 bis 1920 musste sie wegen der Kohleknappheit ausser Betrieb gesetzt werden. 1947 gaben die Licht- und Wasserwerke die Dampfzentrale auf und traten das Areal an die benachbarten Metallwerke Selve ab.

Das elektrische Licht setzte sich bis 1920 auch in den einfacheren Wohnungen und auf dem Land durch. Speziell gefördert wurde diese Entwicklung durch die Petrolknappheit im Ersten Weltkrieg. Ab 1917 bis 1921 war auch die Kohle knapp. Viele Industriebetriebe stellten für die Beleuchtung und für den Betrieb der Maschinen auf Elektrizität um, was den Strombedarf rasch steigenliess. Auch die Haushalte und Gastbetriebe waren von der Kohlenknappheit betroffen, weil einige ihren Holz- oder Kohleherd durch einen Gasherd ersetzt hatten. Das Gaswerk konnte aber nur noch minderwertiges Gas liefern, das es teilweise aus Ersatzbrennstoffen wie Holz, Tannzapfen oder Papier produzierte. Die Elektroindustrie sprang in die Bresche und bot den Kundinnen und Kunden elektrische Rechauds als Ersatz für den Gasherd an.

Um der steigenden Nachfrage nach elektrischem Strom zu genügen, baute die Stadt Thun 1917 ein weiteres Elektrizitätswerk, gleich unterhalb des ersten Kraftwerks von 1896. Auch das neue Kraftwerk wurde mit Wasser aus dem Gewerbekanal betrieben.

1917 wurde neben dem bestehenden Elektrizitätswerk ein weiteres gebaut. (Quelle: Stadtarchiv Thun, K. Keller)

Thun braucht mehr elektrischen Strom

In der Zwischenkriegszeit versuchte die Elektroindustrie ihren Absatz auszuweiten. Grund dafür waren die Schwankungen des Stromverbrauchs im Tagesablauf. Die Industrie und das Gewerbe verbrauchten die Elektrizität vor allem zu den Arbeitszeiten am Morgen und am Nachmittag; der Mittag und die Nacht waren Zeiten des Niedrigverbrauchs. Weil Elektrizität nur sehr beschränkt speicherbar ist, suchten die Stromproduzenten Abnehmer, die diese Schwankungen ausglichen. Sie fanden sie in den privaten Haushalten: Elektrische Kochherde hatten das Potential, das Verbrauchstief am Mittag zu kompensieren, der nächtlich aufgeheizte Elektroboiler konnte den Nachtstromüberfluss reduzieren. Die Elektrowirtschaft brachte in der Zwischenkriegszeit immer mehr elektrische Haushaltgeräte auf den Markt, die einfach zu bedienen und finanziell erschwinglich waren.

Mit dem Bau des neuen Kraftwerks 1917 war es zwar gelungen, die Stromerzeugung mehr als zu verdoppeln. Den zusätzlichen Strom brauchte es aber dringend, denn wie in der gesamten Schweiz nahm auch in Thun der Elektrizitätsverbrauch der Industrie, des Gewerbes und der Haushalte stark zu. Zudem übernahmen die Licht- und Wasserwerke Thun bis 1941 sukzessive von der BKW die Stromversorgung von Goldiwil nid dem Wald (heutige Gebiete Hofstetten und Lauenen) und von Strättligen. Ein zusätzliches Problem war, dass die Kraftwerke bei sehr tiefem und hohem Wasserstand der Aare nicht die volle Kapazität erreichten. Die Licht- und Wasserwerke mussten deshalb die Konsumenten zeitweise zum Stromsparen anhalten. Diese Massnahmen konnten den wachsenden Strombedarf nur wenig dämpfen. 1925 wurden happige Einschränkungen nötig: Die Strassenbeleuchtung wurde auf die Hälfte reduziert, Bügeleisen, Kochapparate und Elektromotoren durften von 18.00 Uhr bis 8.00 Uhr nicht benutzt werden, den Betrieb der Boiler musste man auf die Zeit zwischen 24.00 Uhr und 6.00 Uhr beschränken.

1926 überlegte sich die Stadt deshalb den Kauf der kleinen privaten Wasserwerkanlagen an der Inneren Aare. Vorerst mietete sie jene der ehemaligen Werkstätte Aeschlimann im Gebiet der Alten Öle und richtete dort eine Wasserkraftanlage ein, die erst 1970 ausser Betrieb genommen wurde. Die schon bestehenden Produktionsanlagen wurden erweitert und technisch optimiert, sodass sie mehr Strom erzeugten. Weil der Stromkonsum weiterhin stark zunahm, bezogen die Licht- und Wasserwerke fortan Fremdstrom von der BKW, gaben aber auch überschüssig produzierten Strom in deren Netz ab.

Das AAREwerk62

In Thun überstieg der Fremdstrombezug 1954 erstmals die Eigenproduktion. Daher wurde das Projekt für den Bau eines Flusskraftwerks vorangetrieben. Das neue Elektrizitätswerk sollte die Aare in ihrer ganzen Breite aufstauen, was einen massiven Eingriff in die Flussökologie bedeutete. Eine Fischtreppe war aus technischen Gründen nicht vorgesehen. Trotzdem gab es kaum Opposition. Wegen des Landschaftsbildes schlugen die Natur- und Heimatschutzvereine zwar ein niedrigeres Wehr vor und bedauerten das Verschwinden der Aarefälle, bestritten aber nicht grundsätzlich die Notwendigkeit eines Kraftwerks. Die Akzeptanz hing wohl mit der ständigen Stromknappheit zusammen.

Die Realisierung des Kraftwerks verlief recht schnell. Die Stadt reichte im Juni 1957 das Konzessionsgesuch beim Kanton ein, im Juli 1958 hiess das Thuner-Stimmvolk den Kraftwerkbau mit 2734 zu 344 Stimmen gut und im März 1959 wurde mit dem Bau begonnen. Im Jahr 1962 nahm das AAREwerk die Stromproduktion auf.

Aarefälle vor der Selve und dem Elektrizitätswerk in den 1920er-Jahren. (Quelle: Stadtarchiv Thun, O. Zimmermann)
Von 1959 bis 1962 erfolgte der Bau des AAREwerk62. (Quelle: Stadtarchiv Thun)
Eine Luftaufnahme des neu gebauten AAREwerks62 im Jahr 1963. (Quelle: Stadtarchiv Thun, H. Dubach)
Das Elektrizitätswerk von 1917 und das AAREwerk62 im Jahr 1991. (Quelle: Stadtarchiv Thun, H. Altmann)
Bis zum Bau des AAREwerk62 fanden durch die Aarefälle Fahrten mit dem Ponton statt. Das Abenteuer war für die Pontoniers nicht ganz ungefährlich. (Quelle: Stadtarchiv Thun, O. Zimmermann)

Die Energieberatung

Seit es die Elektrizitätsversorgung gab, vermittelten die Stromproduzenten in Zeiten von Stromknappheit Tipps zum Stromsparen, um dann in guten Zeiten sofort wieder den Verkauf von Wärmestrom für Kochherde, Boiler und Heizungen zu forcieren. Der Elektrizitätswirtschaft wurde deswegen wiederholt vorgeworfen, dass sie am Stromsparen eigentlich gar nicht interessiert sei. Sie musste somit eine Balance finden zwischen Verkaufserfolg und den gesellschaftlichen Ansprüchen an einen vernünftigen Umgang mit der Energie.

1980 richteten die Energie- und Verkehrsbetriebe Thun – so hiessen die Licht- und Wasserwerke ab diesem Jahr – eine Energieberatung ein. Hier konnten sich Hauseigentümer und Mieter neutral und unentgeltlich beraten lassen. Der Zustand der Gebäudehülle und der Heizanlage wurde erhoben und aufgezeigt, welche Sanierungsmöglichkeiten in Frage kamen. Als Thun im folgenden Jahr an das Erdgasnetz angeschlossen wurde, nahmen die Beratungen zu, weil viele Einfamilienhausbesitzer sich überlegten, ihre Ölheizung durch eine emissionsärmere Erdgasheizung zu ersetzen, was die Energieberatung als sinnvoll erachtete. Das war ganz im Sinn der Energie- und Verkehrsbetriebe, die auch für die Gasversorgung zuständig waren. Tatsächlich verzehnfachten sich in den folgenden 15 Jahren die Erdgasheizungen in ihrem Versorgungsgebiet. Von der Umstellung auf eine Elektroheizung riet die Energieberatung hingegen ab, weil es zu schade sei, diese hochwertige Energie einfach zu verfeuern. Gute Zukunftsaussichten hätten hingegen die Wärmepumpen und die Sonnenenergie, doch beide seien noch zu teuer.

Die Energieberatung beriet nicht nur Einzelpersonen, sondern auch Firmen und Gemeinden in Energiefragen, wobei der Fokus weiterhin auf der Isolation von Gebäuden und der Verbesserung von Heizanlagen lag, etwas später auch in der Kontrolle der energietechnischen Massnahmennachweisen, die der Kanton von den Gemeinden verlangte. Ab 1990 zeigte sich eine verstärkte Nachfrage nach Beratungen, wobei es vermehrt Anfragen um die Anwendung von Sonnenenergie und zu anderen erneuerbaren Energien gab. Ebenfalls ein wichtiges Tätigkeitsgebiet war die Öffentlichkeitsarbeit, um die Bevölkerung zu einem vernünftigen Umgang mit Strom zu sensibilisieren.

Die Energieberatung machte Öffentlichkeitsarbeit und war zu Gast im Warenhaus Loeb. (Inserat im Thuner Tagblatt vom 11. Februar 1995)

Die erste Solaranlage und das AAREwerk94

Die Energie- und Verkehrsbetriebe planten eine erste Photovoltaikanlage beim AAREwerk62. Diese wurde durch Beiträge von Stadt, Kanton und der Planungsregion Thun Innertport (heute Entwicklungsraum Thun), aber auch durch Spenden von Firmen und zahlreichen Einzelpersonen finanziert. Im April 1992 nahm die Photovoltaikanlage den Betrieb auf und liefert noch heute Solarstrom.

Der weiter steigende Strombedarf erforderte den Bau eines neuen Elektrizitätswerks anstelle des alten von 1917. Die Stadt reichte 1988 ein entsprechendes Konzessionsgesuch ein, das der Grosse Rat im Februar 1990 bewilligte. Allerdings mit der Bedingung eine Fischtreppe zu bauen. Im Stadtrat gingen sowohl der Projektierungskredit wie auch der Kredit für den Kraftwerkbau von über 19,5 Millionen Franken einstimmig durch, weil das alte Elektrizitätswerk von 1917 in einem schlechten baulichen Zustand und störungsanfällig war. Ein weiteres Argument für den Neubau war, dass es sich bei der Wasserkraft um eine einheimische und erneuerbare Energiequelle handle, die man fördern wolle. Am umstrittensten war die Fischtreppe, die als zu teuer empfunden wurde. Am 20. Oktober 1991 stimmten die Thunerinnen und Thuner dem Kredit für den Neubau des Kraftwerks mit einem JA-Stimmenanteil von 91 Prozent zu. Im August 1992 war der Baubeginn, im November 1994 wurde der Probebetrieb aufgenommen. Das neue Kraftwerk erhielt 2002 das Zertifikat „naturemade star“ und erfüllt somit strenge ökologische Auflagen. Seit 2007 ist der gesamte in Thun produzierte Wasserstrom mit diesem Label zertifiziert.

Das AAREwerk94 mit der Fischtreppe. (Quelle: Energie Thun AG)

Die Fischtreppe des AAREwerk94 genügt den heutigen Anforderungen des Fischaufstiegs und Fischschutzes nicht mehr und muss saniert werden. 2013 hat die Energie Thun AG ein Gesuch für die vorgezogene Sanierung der Fischtreppe beim Kanton eingereicht. Wegen der aus fischökologischer Sicht grossen Bedeutung der Aare kommt der Sanierung eine hohe Priorität zu. Daher hat der Kanton die Sanierung des bestehenden Fischpasses verfügt. Der Baubeginn für die neue Fischtreppe ist 2025 geplant. Mit dem Projekt sollen die Fische ungehindert wandern können. Als Zielarten gelten die Äsche, Barbe, Schneider, Groppe und der Lachs.

Die Energie Thun AG

Um eine höhere Flexibilität und einen grösseren Handlungsspielraum in einem liberalisierten Strommarkt zu erhalten, strebten viele kommunale Energieversorger in den 1990er Jahren ihre Umwandlung in eine Aktiengesellschaft an. In Thun setzte die Debatte um eine solche Umwandlung der Energiebetriebe 1998 ein. Am 28. November 1999 stimmten die Thunerinnen und Thuner der Umfirmierung in die Energie Thun AG zu. Gleichzeitig befürwortete das Stimmvolk den Bau des neuen Betriebsgebäudes an der Industriestrasse. Die Energie Thun AG nahm ihre Tätigkeit mit der Stadt als Alleinaktionärin am 1. Januar 2001 auf.

Schon 1999 war die Idee diskutiert worden, die Thuner Energiebetriebe an Dritte zu verkaufen. Sie wurde aber verworfen, weil die Energieversorgung eine wichtige Einnahmequelle für die Stadt war. Über dies wollte man verhindern, «dass die Grundversorgung mit Strom, Wasser und Erdgas zum Spielball für spekulative Geschäfte wird». Einige Jahre später wäre die Energie Thun AG trotzdem beinahe in den Einflussbereich der BKW geraten. 2006 verlangte ein Postulat im Stadtrat, der Gemeinderat solle abklären, ob und in welchem Umfang es sinnvoll wäre, Anteile der Stadt an der Energie Thun AG an Dritte zu verkaufen. Die Energie Thun AG erachtete einen allfälligen Teilverkauf «weder auf strategischer noch auf operativer Ebene als erforderlich». Dessen ungeachtet nahm der Stadtrat 2008 den Verkauf von 49 Prozent der Aktien an die BKW knapp an, doch in der Abstimmung vom 2. Februar 2009 sagte das Thuner Stimmvolk mit 84 Prozent Nein. Der Verwaltungsrat der Energie Thun AG fasste dieses Ergebnis mit grosser Befriedigung als klares Bekenntnis der Thunerinnen und Thuner zu ihrem Energie- und Wasserversorgungsunternehmen auf.

Mit der Strommarktöffnung können ab 2009 Kundinnen und Kunden mit einem Verbrauch von über 100′000 kWh ihren Stromlieferanten frei wählen. Alle anderen Thunerinnen und Thuner erhielten damals die Wahl zwischen den Produkten Blaustrom, Thuner AAREstrom, Thuner Ökostrom und Graustrom. Ziel dieser Differenzierung war und ist noch heute die Förderung der nachhaltigen Stromproduktion. Rund 80 Prozent entschieden sich für den Blaustrom, Standardprodukt der Energie Thun AG.

Um vorhandene Synergien besser nutzen zu können, trat die Energie Thun AG 2001 der Swisspower AG bei, dem ein Jahr zuvor gegründeten Netzwerk der städtischen Energieunternehmen. Zu dieser Zeit produzierten die AAREwerke etwa einen Fünftel des Thuner Stromabsatzes, der Rest wurde zugekauft. Mit der Mitgliedschaft in der Swisspower AG wurden neue Beschaffungsmöglichkeiten erschlossen. Die Energie Thun AG wollte damit den Eigenproduktionsanteil erhöhen, um eine hohe Versorgungssicherheit und stabile Preise zu gewähren. 2010 beteiligte sie sich erstmals an einer Produktionsanlage im Ausland: Sie erwarb einen Anteil am Windpark Sustrum/Renkenberge in Norddeutschland.

2011 gehörte die Energie Thun AG zu den Gründungsmitgliedern der Swisspower Renewables AG, einer von Swisspower-Stadtwerken gegründete Beteiligungsgesellschaft. Sie ist auf On-Shore-Wind- und Wasserkraft im europäischen Raum fokussiert und bietet den beteiligten Stadtwerken die Möglichkeit, ihre eigene Stromproduktion aus erneuerbaren Energien weiterauszubauen. In diesem Rahmen investierte die Energie Thun AG 2015 erstmals auch in Wasserkraft in Italien. Doch auch lokal diversifizierte die Energie Thun AG die Stromproduktion. 2011 gründete sie gemeinsam mit Energie Wasser Bern und der AWG Solar GmbH die Thun Solar AG, welche unter anderem auf der Arena Thun (der heutigen Stockhorn Arena) und dem Panorama Center die grösste Photovoltaikanlage im Berner Oberland realisierte. Von 2012 bis 2019 verzwölffachte die Energie Thun AG die Produktion von Solarenergie. Einen kleinen Beitrag an die ökologische Stromproduktion leisten zudem seit 2013 die beiden Trinkwasserkraftwerke Lauenen und Brändlisberg, die den Strombedarf von etwa 50 durchschnittlichen Haushalten decken.

Nach über 10-jähriger Projektierungsphase erfolgte im Juni 2021 der Baustart für das Wasserkraftwerk Augand an der Kander, welches Strom für etwa 7‘700 Haushalte erzeugen wird. Das Kraftwerk ist ein weiterer Schritt zur Produktionssteigerung von regionaler, erneuerbarer Energie und wird 2023 in Betrieb genommen. Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit der BKW realisiert.

Heute deckt die Eigenproduktion der Energie Thun AG 73.6 % des gesamten Stromverkaufs ab. Davon werden 33 % lokal produziert und 67 % mit Beteiligungen im In- und Ausland (Wind-, Sonnen- und Wasserkraft).

Die Energie Thun AG hat nicht nur die Eigenproduktion ausgebaut, sondern auch das Stromnetz. Früher wurde der Strom mehrheitlich über Freileitungen transportiert. In den letzten 125 Jahren ging es von der Höhe häufiger unter die Erde – so befindet sich die Mehrheit des Stromnetzes in Thun unterirdisch. Die gesamte Länge der Thuner Stromleitungen beträgt heute 834 Kilometer. Dies entspricht der Strecke von Thun nach Graz in Österreich.

Das Hauptgebäude der Energie Thun AG im Jahr 2020. (Quelle: Energie Thun AG, Bild: Ramon Lehmann)