Haushalt

Haushalt

Die Elektro­industrie entdeckt den Haus­halt

Lange war Holz die Hauptenergiequelle im Haushalt, hinzu kam in unserer Gegend manchmal Torf. Kohle hingegen war teuer und umständlich im Transport. Mit dem Aufkommen der Gaswerke in den Schweizer Städten setzen sich gasbetriebene Kochherde und Wasserdurchlauferhitzer durch, weil sie viel einfacher und bequemer zu bedienen waren als die herkömmlichen Holz- oder Kohleherde. Es musste kein Holz, keine Kohle mehr geschleppt, keine Asche mehr entleert werden und die Küchenwände, die früher stets vom Rauch geschwärzt waren, blieben weiss. Wer sich einen Gasherd anschaffte, war allerdings auf das einwandfreie Funktionieren der Gasversorgung angewiesen.

HABEN SIE GEWUSST?

Der Hausfrau wurde in den 20er Jahren nicht allzu viel technisches Verständnis zugetraut. Bei Unfällen gab man ihr die Schuld.

Damit sich die elektrischen Haushaltgeräte überhaupt in den Haushalten verbreiten konnten, mussten diese ins Stromnetz eingebunden werden. Erst als das elektrische Licht um die Wende zum 20. Jahrhundert durch die Erfindung der Metallfadenlampe billiger wurde, gestaltete sich für die Haushalte ein Stromanschluss attraktiv.

Die Elektrizitätswerke kämpften damals mit dem Problem, dass der Energieverbrauch im Tageslauf stark schwankte. Die Industrie und das Gewerbe konsumierten Strom für Motoren und Licht, vor allem während der Arbeitszeiten am Morgen und am Nachmittag. Die Elektroindustrie war deshalb an Konsumentinnen und Konsumenten interessiert, die zu den übrigen Zeiten Strom verbrauchten. Sie stellten fest, dass die Haushalte dafür geeignet sind: Die Hausfrauen kochten am Mittag, Elektroboiler und Akkumulierheizöfen konnten in der Nacht günstig aufgeladen werden und verbrauchten als Wärmegeräte erst noch viel Strom. Die Industrieproduktion und deren Stromverbrauch waren hingegen konjunkturabhängig und ein weniger sicheres Geschäft für die Stromproduzenten.

In Thun gehörten das Gaswerk und das Elektrizitätswerk zum selben städtischen Betrieb, den Licht- und Wasserwerken Thun. Diese pushten den Stromverkauf anfangs nicht allzu sehr: Erstens hatte das Elektrizitätswerk häufig Mühe, den Strombedarf zu decken, sodass man lieber die Gasküche und damit den Gasabsatz förderte. 1936 beklagte man hingegen, die elektrische Küche wolle sich neben dem Kochgas nicht recht einbürgern. Damals spürten auch die Licht- und Wasserwerke die Weltwirtschaftskrise. Zudem hatten sie ein Jahr zuvor die Kapazität ihrer Elektrizitätswerke ausgebaut. Ein höherer Stromverbrauch von Privaten wäre also durchaus erwünscht gewesen. Wie überall versuchte man auch in Thun, den Stromverbrauch der Haushalte über die Tarifpolitik zu lenken. Dadurch und mittels Werbung förderte man die Verwendung von besonders energieintensiven Wärmegeräten wie Kochherd, Boiler und Elektroheizung. In Zeiten der Stromknappheit verlangte man jedoch von den Haushalten, genau in diesen Anwendungsbereichen Strom zu sparen.

Der elektrifizierte Haushalt

Hausarbeit war in der frühen Neuzeit vorwiegend Frauenarbeit. Tagein, tagaus hiess es kochen, putzen, waschen und flicken. Die Hausarbeit war aufwendig und oft körperlich anstrengend. So setzte früher eine Hausfrau für eine grosse Wäsche mindestens einen ganzen Tag ein. Die Vorbereitungen begannen schon am Vorabend. Besonders das Spülen der Wäsche war eine kräfteraubende und teilweise auch gefährliche Arbeit. Die Thuner Zeitungen berichteten bis ins 20. Jahrhundert hinein immer wieder von Wäscherinnen, die in die Aare oder in den Mühlekanal fielen.

Ausschnitt aus dem Thun Panorama von Marquard Wocher zeigt Wäscherinnen beim Spülen der Wäsche in der Aare. (Quelle: Stadtarchiv Thun)

Elektrogeräte für den Haushalt wurden schon am Ende des 19. Jahrhunderts hergestellt. Während in den Anfängen der Elektrifizierung häufig einfach die Muskelkraft durch einen Elektromotor ersetzt, die alte Technologie im Übrigen aber beibehalten wurde, kamen in den 1920er-Jahren neuentwickelte Elektrogeräte auf den Markt. Den kaufkräftigen Hausfrauen präsentierte sich nun eine weite Palette von grösseren und kleineren elektrischen Haushaltshilfen. Die Elektrizität als «allmächtige Zauberin» wurde allmählich zum Alltag, zur vielseitigen und tüchtigen Haushaltshilfe. Der Gebrauch von elektrischen Haushaltsgeräten blieb bis zum Zweiten Weltkrieg allerdings eher bescheiden, weil die Anschaffungs- und Betriebskosten hoch waren. Zudem waren viele davon qualitativ noch unbefriedigend und nicht alle Hausfrauen waren bereit, den Umgang mit den neuen, noch ungewohnten Geräten zu lernen. Besonders der elektrische Kochherd stiess auf Akzeptanzprobleme, weil er kaum Vorteile gegenüber dem Gasherd bot. Erst in den 1920er-Jahren war der elektrische Herd so weit entwickelt, dass er den Gasherd ernsthaft bedrängen konnte. Im Zweiten Weltkrieg geriet die Gaswirtschaft wiederum in eine massive Versorgungskrise, was einen Sturm auf elektrische Kochapparate auslöste. Deshalb beschloss der Thuner Gemeinderat im Frühling 1945 den Verkauf von verbilligten elektrischen Einplatten-Rechauds mit passendem Kochgeschirr durch die Licht- und Wasserwerke. Die Installation wurde ebenfalls subventioniert, damit auch Arbeiterfamilien wenigstens auf einer elektrischen Kochplatte kochen konnten.

Das elektrische Bügeleisen hingegen setzte sich rasch in den Haushalten durch. Es wurde schon in den 1920er-Jahren kostengünstig produziert und entsprechend billig auf den Markt gebracht. Um 1945 besassen 82 Prozent der Schweizer Haushalte ein elektrisches Bügeleisen. Das erste grössere Haushaltsgerät, das sich viele Schweizer anschafften, war der Staubsauger. Er wurde zu Beginn der 1920er-Jahre lanciert und erreichte schnell einen hohen Bekanntheitsgrad. In den 1930er-Jahren begann der Aufschwung der Elektroherde und der elektrischen Warmwasserversorgung. Aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg konnte sich eine zunehmende Zahl von Haushalten grosse Elektrogeräte leisten. Kühlschrank und Waschmaschine breiteten sich deshalb erst nach dem zweiten Weltkrieg aus. Doch der Maschinenpark der Schweizer Haushalte war noch lange nicht komplett. In den 1970er-Jahren fanden das Tiefkühlgerät, die Geschirrspülmaschine und der Tumbler immer grössere Verbreitung, ab den 1980er-Jahren kamen das Mikrowellengerät, die Kaffeemaschine und die Unterhaltungselektronik hinzu.

Die Einführung von Haushalttechnik veränderte die Anforderungen an die Hausfrauen. Der Kauf und die Bedienung setzten ein gewisses technisches Grundwissen voraus. Die Hersteller und die Stromindustrie informierten beispielsweise an Ausstellungen über das Angebot sowie über die Pflege und Bedienung der Geräte. Zudem führten sie Kurse zum Kennenlernen und Ausprobieren durch. Die Frauen mussten sich auch mit den Gefahren auseinandersetzen. Via Haushaltungsunterricht, Zeitschriften und Büchern wurde den Hausfrauen beigebracht, wie sich die Gefahren minimieren lassen. Bei Unfällen wurde die Schuld oft nicht der potenziell gefährlichen Technik, sondern der sich falsch verhaltenden Hausfrau zugeschoben. Man traute den Frauen nicht allzu viel technisches Verständnis zu.

Der erhöhte Strombedarf der Haushalte und der Aufschwung von Industrie, Gewerbe und Dienstleistungsbetrieben schlug sich in Thun auf die Energieabgabe nieder: Noch 1940 hatte das Gaswerk mehr Gigawattstunden abgegeben als das Elektrizitätswerk, fünf Jahre später war es umgekehrt. Während der Gaskonsum bis 1980 stagnierte, erfuhr die Stromabgabe nach 1945 einen ungeahnten Aufschwung, was schon bald zum Ruf nach einem neuen städtischen Elektrizitätswerk führte.