Beleuchtung

Beleuchtung

Von den Öl­laternen zur LED-Strassen­beleuchtung

Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit war es in den Städten nachts stockfinster. Nachtwächter gingen mit Fackeln durch die Gassen, damit kein «Nachtfrevler» im Schutz der Dunkelheit herumstreunte. In der Stadt Thun gab es vier Nachtwächter. Wenn sie jemanden beim nächtlichen Herumtreiben erwischten, setzte es eine Geld- oder Gefängnisstrafe bei Wasser und Brot ab. Wer aus einem guten Grund nach draussen gehen musste, war verpflichtet ein Kerzen- oder Öllicht mit sich zu tragen, aber wegen der Feuergefahr nur in einer geschlossenen Laterne. Um in Notfällen oder bei Festivitäten den öffentlichen Raum beleuchten zu können, besass die Stadt eiserne Pfannen, in welchen Pech oder Talg brannte.

HABEN SIE GEWUSST?

Der Bierbrauer Gottfried Feller installierte als erster Wirt 1891 elektrisches Licht in seinem Restaurant beim Schwäbistor.

In einigen Grossstädten waren die Hausbesitzer verpflichtet, Laternen an ihren Häusern anzubringen oder ein Licht ins Fenster zu stellen. Erste öffentliche Öllaternen wurden in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in London, Paris und Berlin aufgestellt. Die Stadt Bern installierte um 1760 eine Strassenbeleuchtung mit Öllampen, die an quer über die Gassen gespannten Ketten hingen und etwas Licht spendeten. Solche «schwebenden Laternen» wünschten sich auch die Thunerinnen und Thuner. Damit das Projekt realisiert werden konnte, erklärten sich 1781 mehrere Privatpersonen bereit, den Betrieb der Lampen einige Jahre lang aus der eigenen Tasche zu finanzieren. Tatsächlich waren schon bald die wichtigsten Gassen und Plätze der Stadt mit Öllaternen versehen.

1830 war quer über dem Rathausplatz eine Öllaterne gespannt. (Quelle: Aquarell von Johann Knechtenhofer, Blick vom Rathausplatz auf Pfistern und untere Hauptgasse, Stiftung Schloss Thun, SST-00243).

Es wird heller in Thun

Mit dem Anschluss der Stadt Thun an das europäische Eisenbahnnetz 1859 konnte kostengünstig Kohle zur Gasproduktion importiert werden. Ende Oktober 1862 nahm das Gaswerk Thun seinen Betrieb auf und schon bald beleuchteten 55 Gaslampen die Gassen der Innenstadt. Auch einige Wirte und Geschäftsleute installierten Gaslampen in ihren Räumlichkeiten. Das Thuner Wochenblatt kommentierte die neue Strassenbeleuchtung: «Es war wirklich ein auffallender Unterschied, der sich gegenüber dem bisherigen düstern Oellichte bemerkbar machte.» Wegen des guten Geschäftsgangs kaufte Thun dem Unternehmer Ludwig August Rieder das Gaswerk inklusive Leitungsnetz im Jahr 1866 ab. Damit war das Gaswerk der erste städtische Betrieb in Thun. Später wurden ihm die Wasser- und die Elektrizitätsversorgung angegliedert.

Nicht überall stiess der Übergang von der dunklen zur hellen Stadt auf Gegenliebe. Die öffentliche Beleuchtung wurde als Eingriff in die natürliche Ordnung angesehen. Das Gaslicht veränderte das Verhältnis der Menschen zur Nacht. Wegen der besseren Strassenbeleuchtung verweilten die Menschen am Abend nun tatsächlich länger in den Gassen, denn im hellen Lichtschein der Gaslaternen liess sich das soziale Leben besser pflegen als im Schummerlicht der Öllaternen.

Öffentliche Gaslaterne an der Ecke Hauptgasse/Marktgasse. (Quelle: Historische Sammlung Krebser, Burgerbibliothek Krebser)

Schon bald wurden grosse Feste und Zirkusveranstaltungen mit Gaslicht beleuchtet, auch manche Kutschen und Eisenbahnwagen waren mit Gaslampen ausgestattet. Grosse Restaurants und Theatersäle erhielten nun ebenfalls häufig eine Gasbeleuchtung. Das Gaslicht war nicht nur zum Vergnügen da: So konnten etwa Weiterbildungsschulen wie die 1866 gegründete Thuner Handwerkerschule zusätzlich zum Sonntagsunterricht Kurse am Abend durchführen. Die helle Beleuchtung von Innenräumen hatte auch zur Folge, dass in Fabrikhallen und Gewerberäumen länger gearbeitet wurde und sich somit der Arbeitstag in den Abend hinein verlängerte.

Das Gaslicht konnte sich nur als Strassenbeleuchtung und in grösseren Innenräumen durchsetzen: In kleinen Räumen und Wohnungen blieben die Petrollampen beliebter, weil sie im Betrieb billiger waren und nicht an ein Netz angeschlossen werden mussten. Zudem produzierten die Gaslampen nicht nur Licht, sondern auch Abgase, die Kopfschmerzen und Schwindel verursachen konnten. Die Zukunft der künstlichen Beleuchtung lag deshalb in einer anderen Energieform, der Elektrizität.

Bereits um 1800 waren zwar mit der Kohlenbogenlampe und der Glühbirne zwei elektrische Beleuchtungstechnologien erfunden worden, doch erst um 1880 waren diese so weit entwickelt, dass sie tatsächlich anwendungstauglich waren. Die lokalen Zeitungen informierten die Thuner Bevölkerung in zahlreichen Artikeln über den jeweiligen Stand der technischen Entwicklungen und über die Vor- und Nachteile der elektrischen Beleuchtung gegenüber dem Gaslicht. Ab 1881 konnten die Thunerinnen und Thuner das elektrische Licht selbst erleben, denn nun wurden Festplätze und -hütten nicht mehr mit Gas, sondern mit mobilen elektrischen Lichtanlagen beleuchtet. 1884 erhielt das erste Thunerseeschiff eine elektrische Beleuchtung.

Die gleichmässige, strahlende Helligkeit des Lichts begeisterte die Menschen. In der Werbung, aber auch in Zeitungsartikeln wurde es gerne als geheimnisvoll verklärt. Besonders beliebt war die Verbindung von Elektrizität und magischer Weiblichkeit – die «allmächtige Zauberin» und «wunderbare Fee». Die Lichtgöttin war von 1880 bis zum Ersten Weltkrieg das wohl beliebteste Werbesujet.

Die elektrische Beleuchtung avancierte schnell zu einem Prestigeobjekt. Noch bevor die Stadt Thun ihr Elektrizitätswerk eröffnete, installierte der Bierbrauer Gottfried Feller als erster Wirt 1891 elektrisches Licht in seinem Restaurant beim Schwäbistor. Die Elektrizität lieferte der Wassermotor der Brauerei. Dafür hatte Feller viel Geld investiert – der Wassermotor allein hatte ihn gut 7’000 Franken gekostet, was heute rund 340’000Franken wären.

Die Wirtin des Brauereirestaurants Feller warb mit der brandneuen elektrischen Beleuchtung des Lokals. (Inserat im Geschäftsblatt für den oberen Teil des Kantons Bern vom 28. März 1891)

Die elektrische Strassenbeleuchtung endlich auch in Thun

Um 1890 war der Druck auf die Thuner Stadtbehörden, eine elektrische Strassenbeleuchtung einzurichten, gross – schliesslich hatten Genf, Zürich und Neuenburg schon zu Beginn der 1880er-Jahre erste Strassenlampen in Betrieb genommen, und schon bald folgten erste kleinere Städte. Als Interlaken und Meiringen 1888 die Einführung der elektrischen Beleuchtung beschlossen, schrieb ein Einsender im Täglichen Anzeiger für Thun und das Berner Oberland: «Es scheint fast, dass wir in Thun vom Schicksal verurteilt sind, immer ein halbes Jahrhundert nachzuhinken.»

Als das Thuner Elektrizitätswerk 1896 seinen Betrieb aufnahm, wurden neben der Gasbeleuchtung elektrische Kohlenbogenlampen installiert. Die Stadtbehörden hatten schon vorab die wichtigsten Standorte definiert: grössere Plätze, Brückenköpfe und Strassenkreuzungen. Die Thunerinnen und Thuner begrüssten die elektrische Strassenbeleuchtung, weil sie heller als das Gaslicht war, was die Unfallgefahr verminderte. Kritik kam von Personen, die an Strassen wohnten, die nicht von Beginn weg in den Genuss von elektrischen Laternen kamen. Besonders die Geschäftsleute der Hauptgasse protestierten gegen die «stiefmütterliche Behandlung», denn jedermann wisse, «dass die Hauptgasse das eigentliche Geschäftsquartier ist für Einheimische und Fremde, und dass namentlich während der Fremden-Saison die erhöhten Trottoirs stets Bewunderung erregen bei den Fremden». Die elektrische Strassenbeleuchtung war aber teuer: Um 1898 kostete eine Kohlenbogenlampe samt Installation rund 150 Franken, was rund 6’700 heutigen Franken entspricht. Der Ausbau ging trotzdem zügig vonstatten, Ende 1896 waren in der Stadt Thun 41 elektrische Strassenlaternen aufgestellt, die vom Elektrizitätswerk Thun versorgt wurden, einige davon standen in der Hauptgasse.

Die erste öffentliche Kohlenbogenlampe stand auf dem Rathausplatz. (Quelle: Stadtarchiv Thun)‍

Noch etwas passte manchen Thunerinnen und Thunern nicht: Die elektrischen Strassenlaternen waren ihrer Ansicht nach am Abend zu wenig lang in Betrieb. Ab 1897 liess man sie zwar im Winter nur bis 23.00 Uhr brennen, im Sommer aber bis 24.00 Uhr. Eine ganz nächtliche Brenndauer stand nicht zur Diskussion, denn auch der Betrieb der elektrischen Beleuchtung war nicht gerade billig. Aus Kostengründen wurde die billigere Gasbeleuchtung parallel zur elektrischen Beleuchtung weiter ausgebaut, doch die Kohlenknappheit im Ersten Weltkrieg setzte ihr zu. 1917 nahm das Gaswerk Thun fast alle 280 Gaslaternen ausser Betrieb. Einige davon wurden zwar nach 1920 reaktiviert, doch der Siegeszug der elektrischen Strassenbeleuchtung liess sich nicht aufhalten. Dank dem Einsatz von Glühlampen waren nun die meisten Strassenlampen die ganze Nacht hindurch in Betrieb. Um 1930 wurden die Leuchtstoff- und Dampflampen entwickelt, die sich besser für die Strassenbeleuchtung eigneten. 1940 ersetzte die Stadt die 19 letzten Gaslaternen durch elektrische Strassenlampen.

Im Versorgungsgebiet der Energie Thun AG sind heute 6’427 Strassenlampen installiert. Die Zukunft gehört den LED-Leuchten. Durch die hohe Energieeffizienz und Lebensdauer haben sie das Potenzial, die herkömmlichen Lichttechnologien zu verdrängen. Der Wirkungsgrad, also das Verhältnis von zugeführter zu nutzbarer Energie, liegt bei diesen Beleuchtungsarten zwischen 50 bis 70 Prozent – bei der Glühbirne sind es nur gerade vier bis sieben Prozent. 2009 machte die Energie Thun AG erste Versuche mit LED in der Strassenbeleuchtung. In den nächsten Jahren begann sie damit, bei der öffentlichen Beleuchtung für die meisten Ersatz- und Neuinstallationen nur noch LED-Leuchten einzusetzen. Damit wurden pro Jahr rund 34’000 kWh Strom eingespart, was etwa dem jährlichen Stromverbrauch von neun Haushalten entspricht.

Die LED-Beleuchtung im Lerchenfeld. (Quelle: Energie Thun AG, Bild: Carolina Piasecki)

Die gut ausgeleuchtete Stadt

Seit 1896 in Thun die ersten elektrischen Strassenlaternen aufgestellt worden sind, nimmt ihre Zahl stetig zu. Aber nicht nur ihre Anzahl nahm zu, sondern auch Leuchtkraft. Diese nutzt man, um an Orten wie Unterführungen, Parkhäusern und Parks das Sicherheitsgefühl in der Dunkelheit zu erhöhen.

Nicht nur die Strassenbeleuchtung veränderte die nächtliche Stadt, sondern auch die Möglichkeit, ganze Fassaden und Gebäude mit elektrischem Licht in Szene zu setzen. Städte beleuchteten im ausgehenden 19. Jahrhundert ihre bedeutendsten Gebäude, Parks und Denkmäler mit elektrischem Licht. Auch die Stadt Thun leuchtete schon bald ihr Schloss auf diese Weise an.

Die Geschäftsleute erfassten schnell die Möglichkeiten des elektrischen Lichts für Werbezwecke. Sie beleuchteten ihre Geschäfte, ihre Schaufenster und brachten Schriftzüge an den Fassaden ihrer Geschäfte an. Der erste Geschäftsmann in Thun, der in seinen Räumlichkeiten elektrisches Licht einrichtete, war Friedrich Zwahlen. Er produzierte ab 1895 selbst Strom in seinem kleinen Kraftwerk bei der Alten Öle und leitete den Strom über die Aare in seine Möbelfabrik, zu welcher auch Verkaufsräume mit Schaufenstern gehörten. Die Geschäftsleute beschränkten die elektrische Werbung aber nicht nur auf ihre Schaufenster, sondern gestalteten schon bald die Fassaden ihrer Geschäftshäuser mit Lichtern. Anfang der 1950er-Jahre verkörperte das Kino Rex mit der Lichtgestaltung der Fassade Aufschwung und Urbanität.

Das Kino Rex im Jahr 2003. (Bild: Christian Helmle)